K2 Nord Expedition - Newsletter #6

Liebe Freunde,

im Moment, während wir diese Zeilen schreiben, prasseln feuchte Schneeflocken auf unser Zelt im vorgeschobenen Basislager. Dienstagabend sind wir nach acht sehr anstrengenden, äußerst eindrucksvollen Tagen am Berg wieder hierher zurück gekommen.

Nachdem wir uns Ende Juli im chinesischen Basislager gut erholt hatten, brachen wir am 02. August nach Lager I auf. Ein langer, zum Schluss sehr spaltenreicher Aufstieg, bei dem wir uns fragten, wie oft wir wohl noch über den unwegsamen Gletscher hinauf steigen werden. Gut, dass wir mit dem Aufbruch noch einen Tag zugewartet hatten. An diesem Tag gingen durch die intensive Sonneneinstrahlung unzählige Lawinen ab und der Schnee konnte sich gut setzen.

Früh am nächsten Morgen stiegen wir durch das uns mittlerweile sehr vertraute Einstiegscouloir aufwärts, knietief spurend über den Schneegrat zur Felsschulter und weiter sehr anstrengende Stunden bis zum Platz von Lager II,  an dem wir nach 11,5 Stunden ankamen. An einem großen Fels hatten wir unsere Zelte deponiert, die wir schnell ausgegraben und aufgestellt hatten. Um das Flüssigkeitsdefizit auszugleichen, schmolzen wir bis spät am Abend Schnee.

Um 5.00 Uhr früh am darauf folgenden Tag sangen wir etwas kurzatmig ein Geburtstagsständchen für Darek, der uns daraufhin ein Stück Kuchen!!! seiner Mutter überreichte. Wir packten unsere gesamte Ausrüstung zusammen und spurten mit schweren Rucksäcken bei fantastischem Wetter und ebensolcher Aussicht aufwärts bis zum Platz von Lager III, wo wieder der Zeltaufbau und danach Schneeschmelzen im Vordergrund stand. Es wurde uns ein wunderschöner, sehr eindrucksvoller Abend beschert, wie schon öfters während dieser Expedition. Wir besprachen die aktuelle Situation und Taktik für den nächsten Tag.

Maxut und Darek stiegen am nächsten Morgen ab nach L II um noch weitere Seile nachzubringen, während Vassiliy, Tommy und wir aufstiegen um Richtung Lager IV die Route zu finden und an den notwendigen Passagen Fixseile anzubringen. Unser Zeitlimit war 15.00 Uhr um nicht zu spät zu unseren Zelten auf 7300 m zurück zu kehren, da die Flüssigkeitsaufnahme und Erholung in großer Höhe immer aufwändiger wird. Wir waren mit unserem Weiterkommen an diesem Tag zufrieden. Am nächsten Morgen wollten wir aufsteigen, um eine Nacht im geplanten Lager IV zu übernachten.

Wir warteten die ersten Sonnenstrahlen ab, die um kurz vor 6.00 Uhr auf unser Zelten schienen. Ein vielversprechender Tag stand uns bevor.

In unsere dicken Daunenanzüge eingepackt  es war eiskalt an diesem Morgen) kletterten wir mit unseren voll bepackten Rucksäcken durch kombiniertes Gelände aufwärts. Tommy stieg ab ins Lager I, da er seinen Daunenanzug noch nicht mit dabei hatte. (Diesen möchte er erst beim Gipfelversuch mit hoch nehmen).

Im Laufe des Tages zog es völlig zu und es begann am späten Nachmittag stark zu schneien. Auf 7900 m ca. stießen wir auf ein schmales Felsband, auf das zum Glück unsere beiden Zelte ideal passten. Mittlerweile schneite es so heftig, - wir wären nicht mal mehr 100 Höhenmeter vom geplanten Lager IV entfernt gewesen. Brüchiges, felsdurchsetztes, steiles Gelände ließ es nicht zu, dass wir im "White out" weiterstiegen. Noch waren wir sehr zuversichtlich, am nächsten Morgen unseren Plan fortsetzen zu können. Jedoch hielt der Schneefall die Nacht über und den ganzen nächsten Tag an. Immer wieder besprachen wir die Lage und telefonierten über Satelliten-Telefon mit Charly Gabl in Innsbruck, der uns für die zweite Nacht Ende der Schneefälle und Aufklaren voraussagte.

Wir schmolzen so viel Schnee als möglich, schliefen zwischendurch, schaufelten immer wieder unser kleines Zelt aus, sprachen über Gott und die Welt und hofften, das Charly recht behalten würde mit dem schönem Wetter für den nächsten Tag. Um 21.00 Uhr war dann endlich kein Rieseln der Schneeflocken mehr zu hören. Es klarte tatsächlich auf und die Temperatur sank unter minus 20 Grad.

Was sich unseren Augen am nächsten Morgen bot ist kaum in Worte zu fassen. Als wir den Reißverschluss unseres Zeltes öffneten, sahen wir einzelne Bergspitzen aus einer dichten Wolkendecke herausragen, ein Anblick den wir selbst nur ganz selten erleben dürfen. Wir waren auf fast 8000 m völlig über den Wolken. Mag es kitschig und abgenützt klingen, aber wieder einmal konnten und wollten wir nur DANKE sagen, das hier erleben zu dürfen. Sogar die sonst so hart wirkenden kasachischen Freunde und Darek waren einfach nur fasziniert von diesem Naturschauspiel.

Max, Vassily und Gerlinde brachen mit Fixseilen bepackt auf um im schneebedeckten Fels die Route weiter aufwärts zu finden und wo nötig abzusichern. Darek und ich bauten die Zelte ab, packten alles zusammen und stiegen mit dem Material nach. Wir erreichten einen kleinen, schneebedeckten Felsabsatz auf über 8000 m, an dem wir beim nächsten Aufstieg übernachten und von wo aus wir dann den Gipfel versuchen möchten. Ein idealer, unbeschreiblich eindrucksvoller Platz dieses ""Lager IV". Von hier aus wirkt der Gipfel schon sehr nahe. Ca. 70 Höhenmeter stiegen wir noch weiter, um den Einstieg ins Japanercouloir zu erkunden.
Danach seilten wir ab bis 6600 m, wo wir eine weitere Nacht verbrachten. Der Neuschnee reichte uns an manchen Stellen bis zur Hüfte (im flachen Gelände), an den steilen Passagen ging er mit der Sonne in Form von Lockerschneelawinen ab.

Am nächsten Morgen waren wir alle fünf froh, ins vorgeschobene Basislager absteigen zu können. Ausgehungert, sehr müde und vollkommen zufrieden trafen wir am nächsten Nachmittag in unserem Mannschaftszelt ein. Abdul und Tommy hatten sich bereits Sorgen gemacht und waren sehr erleichtert, dass wir nach acht Tagen gesund zurück waren. Beim Abendessen blieb kein "Fuzerl" auf den Tellern zurück, und schon um 20.00 Uhr war absolute Stille eingekehrt in unseren Zelten und in unserem kleinen Basislager.

Nun brauchen wir noch einige Tage Erholung und wie so oft hoffen wir, dann mit Glück ein Schönwetterfenster zu bekommen...
Wie auch immer alles kommen wird, diese Expedition ist in jedem Fall eine ganz große Bereicherung; keinen der bis jetzt erlebten Tage möchten wir
missen.

Bitte habt noch ein wenig Geduld und haltet uns die Daumen, dass wir eine reale Chance für einen Gipfelversuch bekommen werden.
Die nächsten Tage werden wir wie vorm letzten Aufstieg im chines. Basislager verbringen. Bevor wir wieder aufbrechen, melden wir uns noch einmal.

Bis dahin ganz herzliche Grüße und schöne, sonnige Sommertage wünschen wir Euch.

Ralf mit Gerlinde und dem gesamten K2 Team