K2 Nord Expedition - Newsletter #8

Liebe Freunde,

Nach fast 80 Tagen Unterwegs-Sein kamen wir Sonntag frühmorgens wieder zu Hause an. Mit unglaublicher Freude und großer Dankbarkeit blicke ich auf eine äußerst intensive, bereichernde Zeit mit außergewöhnlichen Menschen zurück.
Mein Lebenstraum, einmal auf allen 14 Achttausendern gestanden zu haben und nach vielen Rückschlägen endlich auf dem K2 stehen zu dürfen hat sich erfüllt. Euch allen möchte ich auf diesem Wege von ganzem Herzen DANKE sagen. Danke, dass ihr an mich und uns geglaubt habt. Danke, dass ihr in Gedanken mit dabei wart und ich auch daraus viel Kraft schöpfen konnte.

Durch Ralfs Umkehr war es möglich, euch immer wieder über den Gipfelaufstieg zu informieren. Hier noch ein paar weitere Eindrücke.

Zum Zeitpunkt unseres Aufbruchs vom Basislager nach Lager I schneite es ziemlich heftig. Am nächsten Morgen war klar, dass wir im Lager I einen Tag Pause einlegen müssen, da die Neuschneemenge zu groß wurde. Zum Glück schien die Sonne, sodass die großen Lawinen alle abgingen, wir waren zuversichtlich am nächsten Tag gut nach Lager II zu kommen.
Leider begann es schon nach Mitternacht wieder zu schneien und als wir um 5.00 Uhr früh noch im Dunkeln unsere Zelte verließen maßen wir schon wieder ca. 15 cm Neuschnee. Den unteren Abschnitt bis zur Querung kamen wir gut voran, jedoch war uns klar, dass vor allem das Einstiegscouloir nicht ganz ungefährlich werden würde.

Vor der Querung sagte Ralf plötzlich zu mir: “Gerlinde ich dreh um, mir ist das zu spannend”. Dieser Moment war sehr schwierig für uns beide. Würden wir umdrehen und noch zuwarten, würde die Neuschneemenge zu groß werden, somit hätten wir keine Chance mehr weiter zu kommen. Ich erläuterte Ralf meine Überlegungen und auch, dass mein Bauchgefühl ein Gutes ist. Ralf hingegen hatte ein ganz anderes Gefühl. Wir respektierten gegenseitig unsere Entscheidung, so stiegen erstmal noch Maxut, Vassiliy, Darek, Tommy und ich weiter. Wir wollten im Aufstieg beisammen bleiben, um kein zu großes Risiko einzugehen.

Am Schneegrat hatten wir, wie die Male zuvor, sehr tiefen Schnee. Alle 50 Meter wechselten Max, Vassu und ich beim Spuren ab. Wir kamen nur langsam vorwärts und irgendwann war klar, wir müssen auf der Felsschulter biwakieren, Lager II werden wir nicht erreichen können. Ich hatte ein ganz leichtes 2-Mannzelt für den Notfall eingepackt, das bauten wir am späten Nachmittag auf und versuchten, darin erst zu fünft Platz zu finden. Tommy stieg am Abend wieder ab ins Lager I, so arrangierten wir uns zu viert in diesem kleinen Zelt.
Der Schneefall stoppte zeitweise, was uns für den darauf folgenden Tag zuversichtlich stimmte.

Die Nacht verbrachten wir den Umständen entsprechend gut, obwohl am Morgen jeder von uns ziemlich verbogen aus dem Zelt kroch. Alles im Rucksack verstaut, starteten wir bei starkem Wind und zeitweise Schneefall Richtung Lager II. Zwei sehr heikle Querungen konnten wir ohne Probleme passieren, jeder von uns hoffte insgeheim, dass nun der Schneefall wie von Charly angekündigt endlich aufhören, der Wind nachlassen und wir dann am darauf folgenden Tag Richtung Lager III gutes, sonniges Wetter haben würden. Ja wir hofften…  Im Lager II schaufelten wir wieder eine Plattform, fixierten mit Firnankern bestmöglich das vom Sturm stark gebeutelte Zelt. Endlich konnte ich mit Ralf über das dort oben deponierte Funkgerät Kontakt aufnehmen. Ralf war sehr erleichtert uns zu hören. Er hatte mit Charly in Innsbruck telefoniert, der Jet sollte spätestens am nächsten Morgen nach Norden abgezogen sein. Ein neuer großer Motivationsschub!!!

Lager II, 5.00 Uhr morgens. Es stürmte immer noch, der Jet muss doch demnächst abziehen! Die Wetterverhältnisse wechseln oft innerhalb kürzester Zeit, der Jet bewegte sich leider doch nur langsam weiter. Dennoch wollten wir versuchen, Lager III zu erreichen.
Bei sehr hohen Windgeschwindigkeiten spurten wir nach oben. Wieder arbeiteten wir gut zusammen und erreichten am Nachmittag ausgekühlt den Platz von Lager III und bauten unsere kleinen Zelte auf. Wieder Funkkontakt mit Ralf, der mit Tommy bereits am Weg ins ABC war. Nun soll der Jet in dieser Nacht wirklich abschwächen, Max und Vassu nickten nur, ich weiß nicht, was sie gedacht hatten. Charly sollte Recht behalten, der Wind kam teilweise fast zum Erliegen. Die letzten Tage hatten uns mental schon zugesetzt, das spürten wir erst jetzt so richtig, als das Wetter angenehm wurde. Die Stimmung im Team hob sich schlagartig. Ralf versicherte uns, dass im oberen Bereich der Jet den Neuschnee völlig verblasen hat und wir nicht viel Spurarbeit hätten, was sich bald bestätigte. Wir kamen schnell voran und erreichten am frühen Nachmittag den Platz von Lager IV. Unsere Zelte hatten wir schnell aufgebaut, der Kocher lief auf Hochtouren, und unsere Gespräche waren intensiv. Wie ist die weitere Vorgehensweise?

Uns war klar, dass die lange Querung vor dem Japanercouloir eine weitere große Herausforderung werden wird. Ob wir bei dieser Schneesituation so vorwärts kommen würden wie erhofft war sehr fraglich. Für den Notfall packte ich unser Minizelt, Kochtopf und Brenner in den Rucksack und Maxut und Darek je eine Gaskartusche. Zudem hatte jeder von uns noch 50 Meter Seil dabei. Die Querung war sehr heikel zu passieren und nur mühsam kamen wir voran. Ralf beobachtete uns mit dem Fernglas und ich war sehr froh, immer wieder mit ihm Rücksprache halten zu können. Vor allem als wir an dem Punkt ankamen, als wir nicht sicher waren, wo wir den steilen Hang nun am Besten queren könnten. Ralf sah aus einer ganz anderen Perspektive in die Querung und erkannte eine Spalte die sich vom rechten Rand des Couloirs bis zum linken, durch Felsen begrenzten Rand zog. Direkt unter dieser Spalte sollten wir uns bewegen um einem Lawinenabgang aus dem Weg zu gehen. Genauso machten wir es und kamen dadurch sicher weiter. Die Zeit schritt voran. Obwohl wir alle müde waren fühlten wir uns gut und entschieden, nicht mehr abzusteigen nach Lager IV. Unterhalb eines Eisaufschwunges auf knapp 8300 Meter arbeiteten wir im etwa 50 Grad steilen Gelände eine kleine Plattform heraus, gerade so, dass unser Zelt Platz fand. Nur für ein paar Stunden Pause, denn um Mitternacht wollten wir weitersteigen. Eng aneinandergereiht saßen wir im Zelt und versuchten Schnee zu schmelzen. Durch das Volumen unserer Daunenanzüge wurde es noch eine Spur enger als im unteren Biwak an der Felsschulter. Nur für ein paar wenige Stunden….

Die Nacht war eisig kalt, ich spürte wie diese Kälte stärker und stärker wurde, ich konzentrierte mich auf jeden Körperteil um dieses Gefühl im Zaum zu halten. Starke Müdigkeit machte sich bei uns allen breit und trotzdem tat niemand von uns ein Auge zu.
Immer wieder ein paar Schluck heißes Wasser für jeden und eine Suppe teilten wir uns zu viert. Wir unterstützten uns gegenseitig und trotz der widrigen Umstände war enorme Toleranz bei uns allen zu spüren. Wir hatten ein gemeinsames ganz großes Ziel, das wir gemeinsam und nur gemeinsam erreichen wollten und konnten.

Um 1.30 Uhr verließen Maxut, Vassiliy und ich unser Zelt, aber schon nach 50 Höhenmeter entschieden wir uns zur Umkehr, unsere Zehen und Finger waren nicht mehr zu spüren.
Erst um ca. 7.30 Uhr starteten wir wieder. Zu dem Moment, als abzusehen war, wann uns die ersten Sonnestrahlen erreichen würden. Von Beginn an hatten wir viel Schnee, wir bewegten uns am äußerst linken Rand des Japanercouloirs aufwärts. Nur langsam gewannen wir an Höhe. Ralf, mit dem ich immer wieder funkte machte uns Mut. Wenn ihr an die Rampe kommt Richtung Gipfelgrat wird es sicher besser mit dem Schnee. Darauf hofften wir. Leider aber war genau das Gegenteil der Fall. Wir blieben förmlich stecken. In drei verschiedene Richtungen versuchten wir vorwärts zu kommen, jedoch ohne Erfolg. Schnee bis zur Hüfte mit einem Harschdeckel obenauf. Alle zehn “Schritte” wechselten wir uns nun ab. Dabei kamen wir  jeweils kaum einen Meter aufwärts. Konnte es sein, dass uns der K2 wieder nicht wollte? Vassu, Max und ich schauten uns an, keiner sagte ein Wort, Meter für Meter arbeiteten wir weiter. Endlich erreichten wir Felsgelände, kamen etwas besser voran und plötzlich überkam mich eine unbeschreibliche Energie. Als ich den Gipfelgrat erreichte, funkte ich Ralf an. Ich hörte nur “…ihr schafft das, ihr habt es gleich geschafft.”
Als Vassiliy kam fragte er mich, können wir es schaffen?  Die Flanke bis zum Gipfel war völlig abgeblasen, kurz unterhalb des höchsten Punkts konnten wir Richtung Flaschenhals hinuntersehen. Ich hielt inne, besonders in diesem Moment war uns Frederik sehr nahe.

Vassu wartete auf Maxut. Die letzten Schritte hin zum Gipfel empfand ich als eine der erhabensten, intensivsten allerschönsten Momente bisher. Fünfzehn Minuten durfte ich ganz alleine sein und wollte Ralf an diesen Augenblick teilhaben lassen. Dieser Tag, diese Abendstimmung, beinahe Windstille, war ein ganz großes Geschenk. Ich schickte dem Universum, der Schöpfung, meinem Ralf und allen die uns beistanden, in Gedanken bei uns waren, ein tiefes Dankeschön. Meine Freude kann ich nicht wirklich in Worte fassen.

Maxut und Vassiliy kamen an, dann Darek. Nach den Fotoaufnahmen, es war bereits nach 19.00 Uhr, starteten wir für den Abstieg. Schon beim Aufbruch im Biwak wussten wir, dass wir in die Nacht kommen würden. Alle hatten wir Reservebatterien dabei, nun galt es die Konzentration bis zum Schluss voll und ganz aufrecht zu erhalten. Wir durften keinen, auch nur noch so kleinen Fehler machen. Im letzten Abendlicht verließen wir den Gipfelgrat und tauchten in die Dunkelheit ein. Vassilliy und ich erreichten das Biwak gegen 22.30 Uhr, ich startete sofort den Kocher. Später kamen Maxut und Darek. Vassu und Max entschieden die Nacht im Biwak zu verbringen, Darek und ich stiegen noch ab bis Lager IV.
Am nächsten Vormittag, als Max und Vassu ankamen stiegen wir gemeinsam noch ab bis Lager I. Tiefer Schnee machte auch nach unten das Vorwärtskommen zu einer großen Herausforderung. Endlich um drei Uhr früh erreichten wir Lager I. Ralf hatte die Kameltreiber für den nächsten Tag bestellt, so mussten wir am Abend im Chinesischen Basislager sein. 10.00 Uhr vormittags liefen wir mit unseren voll gepackten Rucksäcken im Depot ein und gleich darauf waren Ralf und Tommy dort.

Die Freude und Erleichterung, von Ralf in die Arme genommen zu werden ist mir an dieser Stelle unmöglich zu beschreiben…. Die gesamte Anspannung der letzten Tage fiel von mir, wir hatten es geschafft. Mein Lebenstraum ist in Erfüllung gegangen…

Nochmals TAUSEND DANK an euch alle für`s dabei sein!

Ein ganz großes Dankeschön an meine Sponsorpartner, die mich all die Jahre großzügig unterstützt haben.
DANKE an unseren Freund und Meterologen Dr. Charly Gabl!
DANKE an das gesamte Team von National Geographic!
DANKE vielmals an unser Team zu Hause ! Kathrin und Nicola.

Von ganzem Herzen.
Eure Gerlinde